Ingelheimer Haderbücher

Im Stadtarchiv Ingelheim werden 19 spätmittelalterliche „Haderbücher“ und 6 Fragmente aufbewahrt. Dabei handelt es sich um die frühesten seriell erhaltenen gerichtlichen Textzeugnisse, die die Prozessführung eines weltlich-deutschrechtlichen Niedergerichtes über einen längeren Zeitraum (1387 und 1534) hinweg schriftlich protokollierten. Sie geben einen Einblick in die niedere Gerichtsbarkeit und in den Alltag der Menschen des „Ingelheimer Reiches“, einem Gebiet das aus der ehemaligen Kaiserpfalz hervorging.

Das von Dr. Werner Marzi (Ingelheim) im Jahr 2010 ins Leben gerufene Projekt »Edition des Ingelheimer Haderbücher« hatte es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt, zunächst fünf Bände als Buch zu veröffentlichen. Neben der Transkription des frühneuhochdeutschen Textes sollten eine Übertragung ins Gegenwartsdeutsche und ein ausführliches Register erstellt werden. Bis zum Jahr 2014 wurden drei Bände der Reihe in traditioneller Buchform herausgegeben. 

Bei der Gründung des Mainzer Zentrums für Digitalität in den Geistes- und Kulturwissenschaften (mainzed) im Jahr 2015 gehörte das Institut für Geschichtliche Landeskunde (IGL) zu den Gründungsmitgliedern. Jetzt konnte der schon länger gehegte Gedanke, die Haderbücher in einer digitalen Fassung anzubieten, in Angriff genommen werden. Noch im Jahr 2015 entschieden die Stadt Ingelheim und das IGL, das vierte Haderbuch »Ober-Ingelheim 1518-1529« nicht mehr als Buch, sondern in digitalisierter Form im Internet zu veröffentlichen. In der Zwischenzeit wurde vom vierten Haderbuch – schon um die Buchausgabe zu vervollständigen – ein stark verkürzter Auswahlband als Buch gedruckt. Aus dem über 900 Seiten starken Quellentext wurden 19 beispielhafte Streitfälle aus verschiedenen Themenkreisen mit einer vollständigen Transkription und Übertragung ins heutige Deutsch vorgestellt und kommentiert. Dieser Kurzband mit einem Umfang von 159 Seiten ist im Jahr 2016 erschienen.

Mittlerweile liegen vollständige Versionen des ersten Haderbuchs »Ober-Ingelheim 1476-1485«, des vierten Haderbuches »Ober-Ingelheim 1518-1529″ und des fünften Bandes »Groß-Winternheim 1490-1519« der Reihe vor. Sie stehen online unter »haderbuecher.de« zur Verfügung.

»haderbuecher.de« enthält – wie dies schon bei der Buchausgabe üblich war – die Transkription des frühneuhochdeutschen Textes, eine Übersetzung ins Gegenwartdeutsche und ein ausführliches Register. Für die Online-Ausgabe wurde das Register wesentlich erweitert und mit Links zu entsprechenden Artikeln in digitalen historischen Wörterbüchern und Lexika versehen. Gegenüber der Buchausgabe ist neu, dass jetzt auch Abbildungen des historischen Quellentextes mit angeboten werden. Durch die Digitalisierung wird der Zugang zu dieser umfangreichen und inhaltlich nicht einfach zu erschließenden Quelle wesentlich erleichtert. Für die Wissenschaft sind die Haderbücher von hoher Bedeutung, weil sie einer Vielzahl von Disziplinen und Fragestellungen im Bereich der Geschichtswissenschaft, der Mentalitätsgeschichte, der Erforschung des Alltags einer dörflich-kleinstädtischen Bevölkerung, der Sprachforschung sowie der Rechts- und Kulturwissenschaften Ansatzpunkte bieten.


Band 1: Das Oberingelheimer Haderbuch 1476-1484

Werner Marzi (Hg.)

Im ersten Band der Reihe finden sich die Transkription frühneuhochdeutscher Gerichtsprotokolle aus Ober-Ingelheim aus der Zeit von 1476 bis 1484 sowie deren Übersetzung ins Gegenwartdeutsche.

Band 2: Das Nieder-Ingelheimer Haderbuch 1468-1485

Werner Marzi (Hg.)

Der zweite Band der Reihe enthält Transkriptionen und Übersetzungen von Gerichtsprotokollen des Nieder-Ingelheimer Gerichts und umfasst Streitigkeiten, die zwischen 1468 und 1485 ausgetragen und festgehalten wurden.

Band 3: Das Nieder-Ingelheimer Haderbuch 1521-1530

Werner Marzi (Hg.)

Im dritten Band werden Nieder-Ingelheimer Gerichtsprotokolle zwischen 1521 und 1530 transkribiert und übersetzt.

Begleitband: Alltag, Herrschaft, Gesellschaft und Gericht im Spiegel der spätmittelalterlichen Ingelheimer Haderbücher

Werner Marzi, Regina Schäfer (Hg.)

In dem Begleitband stellen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universitäten Mainz, Köln und Frankfurt den geschichtlichen Hintergrund der Haderbücher dar und untersuchen die ständischen Konflikte, das soziale Gefüge, die staatrechtliche Verfassung, die politischen Verhältnisse, die Funktion des Gerichtes als Friedensgericht, die Rechtsbräuche und Rechtssprache, die Gerichtspraxis und die Flurnamen des Ingelheimer Grundes zur Zeit der Haderbücher.

Begleitband: Hader und Streit in Ingelheim. Edition ausgewählter Gerichtsfälle aus dem Ober-Ingelheimer Haderbuch 1518-1529

Werner Marzi, Kai-Michael Sprenger (Hg.)

Das vierte Haderbuch wurde, um die Buchausgabe zu vervollständigen, als stark verkürzter Auswahlband gedruckt. Aus dem über 900 Seiten starken Quellentext wurden 19 beispielhafte Streitfälle aus verschiedenen Themenkreisen mit einer vollständigen Transkription und Übertragung ins heutige Deutsch vorgestellt und kommentiert.

Begleitband: Großwinternheim um 1500. Geschichte(n) des Haderbuchs von 1490-1502

Institut für Geschichtliche Landeskunde (Hg.)

Dieser Begleitband enthält eine Auswahl interessanter Fälle des Gerichts von Großwinternheim aus der Zeit zwischen 1490 und 1502.

Beiheft: Die Ingelheimer Haderbücher. Mittelalterliches Prozessschriftgut und seine Auswertungsmöglichkeiten

Franz Felten, Harald Müller, Regina Schäfer (Hg.)